Kolumne: „Ethik meets Robotics“ oder Warum gehört Digitalisierung ins Penthouse?

     

    Der Königsschmied ist derjenige, welcher die „Könige schmiedet“. Stets bestrebt, Führungskräfte zu formen und zu unterstützen. Der Schalk ist der „Hofnarr“. Er erzählt Geschichten und unterhält die Herrschaften.

    Gemeinsam sind sie „Der Königsschmied und sein Schalk“.

    Im DIGITUS erörten sie‚ exklusiv & in Farbe‘, kontrovers und provokativ – aber stets auf Augenhöhe und respektvoll, Themen der digitalen Welt.

    Manuel Hüttl/links und Prof. Peter Bienert/rechts

    Die Standpunkte zum Thema:

    Prof. Peter Bienert – „Der Königsschmied“: Wollen wir ein humanistisches Bild des Menschen fördern? Oder entscheiden wir uns für den sogenannten Transhumanismus, der dominiert wird von einer Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit. Mit der Delegation von Tätigkeiten an Robotern riskiert die Menschheit den Verlust ihrer kognitiven und auch manuellen Fertigkeiten. Dabei kann sich herausstellen, dass uns diese Fertigkeiten einmal auf fundamentale Weise fehlen werden.

    Manuel Hüttl – „Der Schalk“: Wir können uns dem Thema ökonomisch, nutzenorientiert oder auch moralisch nähern. Die wirtschaftlichen Potenziale liegen auf der Hand. Genauso steht es außer Diskussion, dass der Einsatz automatisierter Prozesse und Robotics sogar im Stande ist Menschenleben zu retten. Die Frage der Moral bleibt freilich evident. Fakt ist aber: Wir können Technologie nicht aufhalten.

     

    Prof. Peter Bienert – Der Königsschmied.  „Am Rande der Komfortzone“ – mit seiner Philosophie wagt sich Prof. Peter Bienert in jenes trügerisch sichere Territorium, in dem schon so mancher seine Ziele, seine Leidenschaft, seine Berufung aus den Augen verloren hat. Stets liegt dem charismatischen Strategen dabei jener Grenzbereich der Unternehmensführung am Herzen, wo bekannte Konzepte und tief verankerte Denkweisen ihre Gültigkeit verlieren und Firmen wie Führungskräfte sprichwörtlich ins Schleudern kommen. Denn Prof. Bienert postuliert: Materieller Erfolg und spirituelle Qualität stehen nicht in Widerspruch. Das eine ist vielmehr ohne das andere nicht nachhaltig erreichbar. Gelebtes Unternehmertum ist in diesem Sinne für ihn ein Wertbeitrag zur Entwicklung einer besseren Gesellschaft.

    www.koenigsschmied.de   /   bienert@profbienert.de

    Manuel Hüttl – Der Schalk. Manuel Hüttl ist ein Kommunikationsberater, der schon immer weiter wollte als der reine Standard. Diese Attitude setzt er in allen Projekten um. Auf der Suche nach den kommenden Trends vergisst er nie die Wertigkeit seiner Leistungen im Unternehmenskontext. Der Kosmopolit schaut dabei auch auf branchenübergreifende Disziplinen. Sein Credo lautet: „Wandel braucht Spießer und Spinner!“ Größte Aufmerksamkeit gilt derzeit der digitalen Transformation und wie sie die Welt verändern wird. Manuel Hüttls 2005 erschienenes Buch „Der gute Ruf als Erfolgsgröße“ (Erich Schmidt Verlag, 2005) ist heute ein Standardwerk im Reputationsmanagement.

    www.derschalk.online   /   mhuettl@derschalk.online

     

    Manuel Hüttl/links und Prof. Peter Bienert/rechts

     

    Der Königsschmied: Hast Du´s mitbekommen? Die Bundesregierung hat eine Datenethikkommission ins Leben gerufen. Dort werden, so wörtlich, „auf der Basis wissenschaftlicher und technischer Expertise ethische Leitlinien für den Schutz des Einzelnen, die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Sicherung und Förderung des Wohlstands im Informationszeitalter entwickelt“ – alles in Bezug auf den Umgang mit Algorithmen und künstlicher Intelligenz.

    Der Schalk: Jep hab‘ ich mitbekommen! Ich finde das auch einen sinnvollen Weg, sich mit dem Thema kritisch auseinanderzusetzen. Ist doch auch irgendwie notwendig, oder?

    Der Königsschmied: Wie der Mathematiker sagt – notwendig aber nicht hinreichend. Das ist etwa so sinnvoll, wie mit der Einführung des Videobeweises die Korruption im Fußball oder mit längeren Haftstrafen die Ursache von Kriminalität zu bekämpfen. Man kann auch an der Bushaltestelle auf die Fähre warten – nur das kann dauern.

    Der Schalk: Verstehe ich nicht. Selbst das Europäische Parlament hat es doch klipp und klar formuliert: Eine neue industrielle Revolution steht an, welche die bestehenden Verhältnisse umpflügen wird. Let´s talk Robotics!

    Der Königsschmied: Wir versuchen durch Regulierung die Sinnfrage zu beantworten. Das ist ein teutonischer Spiegel der Dieselaffäre – vor der Frage, wie wir das Vorhandensein von massivem Individualverkehr verträglich regulieren können stünde die Frage, was wir unter Individualverkehr künftig verstehen wollen. Das ist eine Gestaltungsfrage. Stattdessen schreiben wir eine Zahl als „Grenzwert“ in ein Dokument, von der wir nicht wissen, was sie eigentlich heißt und halten unseren Job für getan. Für unser Thema heißt das: Es geht nicht darum, Robotik zu regulieren, sondern eine Vision zu schaffen, wozu wir diese Robotik nutzen wollen – das treibt dann die Regulierung – nicht umgekehrt.

    Der Schalk: Kannst Du mir das noch einmal verständlich übersetzen, so dass es jeder versteht?

    Der Königsschmied: Was bedeutet das Wechselspiel sozialer Gerechtigkeit und wachsender Effizienz eigentlich, zu deren Entwicklung die Robotik beiträgt? Warum zum Teufel muss der Mensch eigentlich arbeiten oder warum muss man ihm eigentlich immer versprechen, dass ihm Arbeit abgenommen wird? Was ist der Wert von Arbeit? Menschen arbeite gerne, um etwas zu schaffen, etwas aus ihren Fähigkeiten zu machen. Die Vision einer theoretisch optimalen Wirtschaft, in der alle Arbeit von Robotern gemacht wird, ist technisch möglich, aber gar nicht sinnvoll. Das ist eine Gestaltungsdiskussion. Hier sieht man, wie selbst hochintelligenten Teilnehmern die Logik abhanden kommt: Wenn wir versprechen, dass aus der Sicht der Menschen die Robotik Arbeit abnimmt, warum müssen wir dann im gleichen Satz gebetsmühlenhaft versichern, dass wir für jeden wegfallenden Arbeitsplatz ein neuer entsteht?

    Der Schalk: Ich verstehe. Und das Ganze dann auch noch in rechtliche Rahmenbedingungen einzubetten, ist eine echte Herausforderung. Bis ein Gesetz ratifiziert ist, hat sich doch die Technik schon längst wieder selbst überholt – speziell in KI- und Robotics-Themen.

    Der Königsschmied: Wir sind zu langsam. Das liegt daran, dass wir mit einem analogen Verständnis zur Sache gehen, uns aufgrund mangelnder Sinndiskussion zu sehr um Details kümmern und die längst überfälligen Hausaufgaben nicht machen. Wenn wir es bisher noch nicht mal geschafft haben, eine sichere Kommunikation im Netz zu ermöglichen und 90 Prozent des weltweiten Traffic im Mailsystem aus Spam besteht, wie wollen wir dann KI und Robotik regulieren? Die großen Risiken sind keine neuen Risiken: Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, auch wenn mein Gegenüber „digital“ ist und zwar egal, ob er als Mailmessage oder Sprachroboter oder Android auftritt. Dieses Thema hätten wir vor 15 Jahren schon lösen können und sind in der Diskussion von Netzromantikern und Überwachungsliebhabern streckengeblieben. Und ich muss wissen, welchen Wert und Realitätsgehalt das Produkt oder die Information haben. Dito.

    Der Schalk: Wie soll sich denn ein soziales Miteinander von KI, Robotik und Menschen als Handlungspartner gestalten?

    Der Königsschmied: Es gilt die Betreiberhaftung: Im Gegensatz zum Menschen in einer freien Gesellschaft haben AI und Robotik einen Eigner und der haftet für alles, was der so anstellt. Das ist der rein regulatorische Teil, der zusammen mit der Beseitigung der Grundrisiken zu Identität und Fake Content wirkt. Das soziale Zusammensein zwischen Menschen ist darüber hinaus ja schon heute nicht nur von juristischen Normen gekennzeichnet. Hier braucht es ein gesellschaftliches „Normverständnis“ im Sinne einer neuen Folklore.

    Der Schalk: Geht es denn nicht immer um das liebe Geld? Die ökonomischen Erwartungen, die an Robotik gestellt werden, die Forschung, die betrieben wird – sprich die Investitionen, die getätigt werden, versprechen in den nächsten Jahren enorme Zuwachsraten.

    Der Königsschmied: Daran ist nicht Falsches. Die Frage ist aber: Was machen wir mit diesen Zuwachsraten und warum wollen wir sie haben? Ich bin ja nicht naiv! Freilich sehe ich den gesellschaftlichen Vorteil. Doch bisher heißt Zuwachsrate: Die als „Gewinner“ der Transformation mit im Boot sind, arbeiten mit jeder digitalen Revolution mehr als vorher und auch noch auf dem Klo, die anderen fahren für die Gewinner Uber, vermieten ihnen die Wohnung per AirBNB, tragen um 22.30 Uhr ihre „same day delivery“ von Amazon aus oder sind arbeitslos. Das ist keine Frage von Sozialromantik, sondern von Ziel. Wenn wir effizienter werden als Wirtschaft, sollten wir anschließend alle entspannter sein, nicht hektischer. Heute aber trifft der ausgebrannte 70-Stunden-Gewinner auf den ausgebrannten Niedrigverdiener mit vier Jobs. Da machen wir was falsch. Und warum sollen wir das Falsche jetzt bitte noch effizienter machen?

    Der Schalk: Ich sehe es so: Der Computer ist in der Lage, mehr Informationen schneller zu verarbeiten als der Mensch. Und er wird dabei niemals müde, kann auch nicht betrunken Auto fahren und textet nicht am Lenkrad. Die Technologie hat in der Vergangenheit so viel geleistet, unser Leben angenehmer zu machen. Und begonnen hat eigentlich alles mit der Müllbeseitigung.

    Der Königsschmied: Wie bitte?

    Der Schalk: Na ja mit dem Filter, der die erwünschte von der unerwünschten Post getrennt hat – und zwar ohne menschliches Zutun. Alle aktuellen und auch künftigen Visionen über intelligente Kühlschränke, autonome Autos, autarke Roboter und andere künstliche Intelligenzen, die heute in der Öffentlichkeit kursieren, haben ihren Anfang im Deep-Learning-Modell. Sämtliche Algorithmen werden nach dem Befund der Sachlage ihre Reaktion an genau der „Wenn-dann“-Logik ausrichten, mit der sie programmiert wurden.

    Der Königsschmied: Hier kommen wir genau zu der Frage, was wir unter Intelligenz verstehen.

    Der Schalk: Mit anderen Worten: Auch Maschinen stoßen an ihre Grenzen.

    Der Königsschmied: Aber auf eine ganz andere Art und Weise. Solange wir unter Intelligenz die maximierte Fähigkeit betrachten, ein Problem möglichst „gut“ und perfekt und effizient zu lösen, werden wir den Vergleich zur AI immer verlieren. Doch die besten Momente unseres Lebensglücks sind diejenigen, in denen wir häufig die unvernünftigsten Entscheidungen getroffen haben, in denen wir am meisten überrascht worden sind.

    Der Schalk: Stimmt, wir haben die Tendenz – und das insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung – unsere eigenen, oftmals hausgemachten Herausforderungen mittels Einsatz von Technologien zu lösen. So nach dem Motto: Da setzen wir jetzt einfach eine neue Technologie ein und unsere Business-Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf. Das übertragen wir dann ins Private und Persönliche: Glück durch Vorhersagbarkeit und Effizienz. Jeder spürt zugleich, dass das nicht funktioniert.

    Der Königsschmied: So isses! Kein Roboter dieser Welt, keine KI-Lösung auf dem Planeten macht unser Leben schön. Von der Technik dürfen wir keine Dinge erwarten, die sie nicht leisten kann. Sie kann lediglich ein Mittel sein. Und nur dann, wenn wir begriffen haben, was unser Leben wirklich schön macht. Auf das Geschäftsleben übertragen heißt das: Wir haben das Business Issue verstanden und damit auch begriffen, wie wir es lösen können. Deshalb ist auch der kategorische Imperativ im Umgang mit KI und Robotics ein guter Ratgeber. „Nimm dein Gegenüber als Person ernst.“

    Der Schalk: Bleibt die Frage, wer JETZT wofür Verantwortung übernehmen muss.

    Der Königsschmied: Das kann man nicht auf die Politik abwälzen. Jeder Einzelne muss als Bürger erkennen, dass die „Mutti-Staat“-Philosophie vorbei ist. Wir können nicht erwarten, dass die Gemeinschaft schon per Gesetz dafür sorgen wird, dass mich das nicht betrifft. Ich muss als Dieselfahrer begreifen, dass ich den CO2-Ausstoß produziere, wenn ich fahre und nicht etwa der Bundesverkehrsminister, der keinen wunderbaren Trick gefunden hat, Autofahren per Gesetz umweltverträglich zu machen.

    Der Schalk: Ich sehe aber auch die Industrie und die Unternehmen in der Pflicht. Die Umsetzung vieler digitaler Projekte findet leider zu oft im Keller statt, obwohl sie in das Penthouse gehört. Das unterstreicht das bisher Gesagte. Solange die Geschäftsführung oder die Vorstandsebene nicht verstanden hat, dass derartig einschneidende Projekte auch kulturelle Veränderungen nach sich ziehen, sehe ich schwarz. Automatisierungsprojekte und alles, was damit einhergeht, bedeuten einschneidende Veränderungen. Robotics sowieso. Das hat ja unter Umständen auch einen direkten Einfluss auf den Arbeitsplatz. Sowas kaufe ich nicht einfach mal im Regal und bau‘ es mir in der Firma dann auf. Sensibilisierung ist da bitter nötig.

    Der Königsschmied: Das betrifft als Erstes die IT-Industrie selbst. Mir macht die selbstverliebte Einschätzung meiner eigenen beruflichen Kaste Angst, zur Schaffung „intelligenter Systeme“ in der Lage zu sein, wenn ich mir den unfassbar unreifen Müll ansehe, den diese Industrie in Bezug auf Sicherheit, Effizienz, Benutzerfreundlichkeit und Stabilität hervorgebracht hat. Wie soll ich es einer Industrie zutrauen, sich verantwortungsvoll mit ethischen Grenzen einer neuen Technologie auseinanderzusetzen, die bis heute versucht, ihren Kunden zum Testfeld zu machen und es nicht für nötig gehalten hat, bei so grundlegenden Problemen der eigenen Technologie wie Datenschutz oder Kinderschutz auch nur einen einzigen wirksamen Finger krumm zu machen? Aus den redseligen Gesichtern der Zukunftsprediger der IT spricht der blanke Hohn. Es fehlt an Demut und der Fähigkeit zur Selbstkritik für den Umgang mit AI. Dass diese Industrie technisch und intellektuell großartig aufgestellt ist, macht das Problem noch dramatischer – sie wollen es nicht oder sie kriegen es nicht auf die Straße.

    Der Schalk: Also die Denkrichtung, technologischen Fortschritt als Erweiterung menschlicher Möglichkeiten zu verstehen? Das verspricht enorme Gewinne. Das ist doch aber genau der Transhumanismus, dem Silicon Valley und alle Technokraten dieser Welt folgen. Dieser ungebremste Siegeszug des Transhumanismus hat doch zur Folge, dass uns KI und Robotics jetzt so entgegenschlagen.

    Der Königsschmied: Diesen Widerspruch gibt es nicht. Wer Technologie als Erweiterung menschlicher Möglichkeiten sieht, ist noch kein Transhumanist. Das beginnt erst, wenn Technologie als Ersatz für einen im eigenen Modell nicht perfekt vorhersagbaren Menschen wird, der für das Wachstumsmodell weniger gut geeignet ist – dann geht es nicht um den Nutzen für den Menschen und die Causa Humana –dann ist der Wachstumsmotor ohne weiteren Sinn tatsächlich reiner Selbstzweck geworden – an dieser Schwelle stehen wir.