Michael Kretzer, Geschäftsführer der Max Pharma GmbH
Dr. Eldar Sultanow, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik insb. Prozesse und Systeme, Universität Potsdam
Zur Sicherung von Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels auf dem Weg von dessen Entwicklung und kommerzieller Fertigung bis hin zu seiner Abgabe an den Patienten haben die regulatorischen Vorgaben der Europäischen Union bzgl. Good Distribution Practice (GDP) eine besondere Bedeutung. Diese GDP-Leitlinien basieren auf den Anforderungen eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) gemäß ISO 9001. Die Einhaltung der GDP-Leitlinien stellt die Kontrolle der Vertriebskette sicher und damit die Qualität und Unversehrtheit der betreffenden Arzneimittel.
In den zurückliegenden Jahren haben sich die Distributionswege von medizinischen Wirkstoffen sowie der daraus resultierenden Arzneimittel drastisch verändert. Die Wirkstoffe gelangen mittlerweile häufig aus Asien nach Europa. Daher ist die Nach- und Rückverfolgung ihrer Transportwege im Sinne einer Qualitätssicherung essenziell. Darüber hinaus haben die Arzneimittel auch nach der Herstellung in einem pharmazeutischen Unternehmen noch eine „lange Reise“ bis zum Patienten vor sich. Auf den verschiedenen Stationen, vom Herstellungsbetrieb über den Logistiker zum Großhändler und weiter zum Apotheker und letztlich dem Patienten als Endverbraucher, müssen die Produkte permanent unter geeigneten Bedingungen gelagert bzw. transportiert werden. Zusätzlich müssen sie vor Fälschungsversuchen durch geeignete Maßnahmen geschützt werden, wozu regulatorische Instrumente wie die Qualitätssicherung und das Risikomanagement im Rahmen des Qualitätsmanagements zwingend dazugehören.
Qualitätsmanagement im Dienst der Therapiesicherheit
Für die Umsetzung aller Aspekte des Qualitätsmanagements muss zunächst ein Bewusstsein für die Anforderungen der GDP-Compliance geschaffen werden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Optionen für die Zusammenarbeit der Partner in Pharmaindustrie, Pharmagroßhandel, Apotheke und Arztpraxis zur Erhöhung der Therapiesicherheit für Patienten.
Die Verpflichtung des pharmazeutischen Großhändlers, ein Qualitätsmanagement aufzubauen/aufrechtzuerhalten, findet sich bereits in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung sowie Großhandelsverordnung. In diesem Zusammenhang sind einige generelle Voraussetzungen für eine GDP-gemäße Großhandelstätigkeit zu nennen:
- ausreichend kompetentes Personal – zur Durchführung aller Aufgaben, für die der Großhändler verantwortlich ist;
- ausreichende Räumlichkeiten, Anlagen und Ausrüstung zur richtigen Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln;
- angemessene Bearbeitung von Reklamationen und Retouren, Reaktionen bei Vermutung auf gefälschte Produkte;
- klare Abgrenzung bei ausgelagerten Tätigkeiten, um Missverständnisse und Fehler zu vermeiden (durch Verantwortungsabgrenzungsverträge – VAV);
- Durchführung von Selbstinspektionen und Lieferantenaudits.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben wird eine Reihe von technischen Hilfsmitteln eingesetzt: beispielsweise zum lückenlosen Nachweis der Kühlkette oder zur Nachverfolgung von Arzneimitteln im Rahmen einer einwandfreien Umsetzung der GDP-Richtlinie. Es muss gewährleistet sein, dass die Arzneimittel zu jedem Zeitpunkt während der Lagerung ebenso wie während des Transports entsprechend temperiert sind und eine Kontamination durch oder von anderen Erzeugnissen vermieden wird. Auch beim Umladen oder in Umschlagszentren müssen sich Arzneimittel in entsprechend gesicherten Bereichen befinden.
Voraussetzung: Nachvollziehbarkeit von Arbeitsprozessen
Das Qualitätsmanagement gewährleistet ferner die Möglichkeit einer lückenlosen Rückverfolgung des Transports sowie den Rückruf von (eventuell) fehlerhaften Produkten. Um entsprechende Verfahren zu etablieren, müssen einige GDP-konforme Komponenten Beachtung finden.
Grundvoraussetzung ist, dass zunächst die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Arbeitsprozesse klar definiert und festgelegt werden. Darüber hinaus sichern geregelte Verfahren basierend auf Standardverfahrensanweisungen (SOP) die Reproduzierbarkeit der Arbeit des Großhändlers und damit die Qualität. Dazu zählen auch Maßnahmen wie Transport-Qualifizierung und -Validierung zur Vermeidung von Bruch, Verfälschung und Diebstahl sowie Sicherzustellung der Temperaturbedingungen während des Transports.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Dokumentation: Im GDP-Umfeld muss die Dokumentation aller Arbeitsprozesse erfolgen, um deren Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Hierzu zählen auch die aufgezeichneten und dokumentierten Temperaturhistorien.
Validierung von Transportverfahren ist Pflicht
Großhändler sind in der Pflicht, die Eignung der Transportverfahren zu überprüfen. Die GDP-Leitlinien legen hierzu fest: „Der liefernde Großhändler ist für den Schutz der Arzneimittel vor Bruch, Beeinträchtigung und Diebstahl verantwortlich und muss sicherstellen, dass die Temperaturbedingungen sich während des Transports in einem akzeptablen Bereich bewegen.“
Die Transportvalidierung selbst beinhaltet dazu einheitliche Kriterien und Vorgehensweisen, um eine Überprüfung fachgerecht durchzuführen. Die Transportvalidierung sollte belegen, dass die Arzneimittel (und Medizinprodukte) in unveränderter Qualität beim Empfänger eintreffen, wenn ein bestimmtes, schriftlich festgelegtes Verfahren befolgt wird, welches u.a. folgende Maßnahmen festlegt:
- die Art der qualifizierten Transportbehältnisse,
- die minimale und maximale Beschickung mit Produkten,
- die Transportkonditionen, den Transportweg,
- die maximale Transportzeit,
- das Logistikunternehmen,
- die Jahreszeit/Witterungsbedingungen und
- Maßnahmen zum Schutz vor unbefugtem Zugriff.
Die zusätzliche Qualifizierung der Transportgebinde selbst erfolgt anhand von Tests (Funktions- und Leistungsqualifizierung), die konkret die Eignung des Isolationsmaterials, der Kühl- und Wärmeelemente sowie deren Positionierung innerhalb der Transportverpackung einschließen. Diese Qualifizierung wird nach einem vorliegenden Qualifizierungsplan ausgeführt und entsprechend dokumentiert.
Neue digitale Komponenten für die Lieferkette
Initiiert und geführt von Michael Kretzer, unter technischer Leitung von Eldar Sultanow wurde ein Digitalisierungsprojekt realisiert, in dessen Rahmen zur Erfüllung der vorgeschriebenen GDP-Richtlinien Hardware- und Softwarekomponenten zu einer gesamten Plattform entwickelt wurden. Dabei fand eine Zusammenarbeit mit Zulieferern wie beispielsweise Motorola, apra-plast, metraTec und Cognex statt, die die dazu notwendigen Komponenten bereitstellen.
Die Bandbreite geht dabei von Ansteckmodulen für die drahtlose Übertragung von Temperaturdaten, Terminalboxen zum automatischen (drahtlosen) Auslesen von Temperaturdaten und Echtheitsinformationen RFID-geschützter Arzneimittel, ZigBee-Beacons mit eingebautem Temperatursensor und -controller zur Aufzeichnung und drahtlosen Übermittlung von Temperaturdaten, hoch-vakuumisierten Thermoboxen für GDP-gerechtem Arzneimitteltransport bis hin zu pulkelsefähigen Hochleistungskameras für das Lesen optisch codierter Informationen (DataMatrix, QR-Codes, Barcodes).
Permanente Temperaturüberwachung in der Cloud
Mithilfe geeigneter Komponenten können Cloud-fähige Temperaturüberwachungssysteme installiert werden, die entsprechende Zonen wie Arzneimittellager und Kühlzellen in Echtzeit kontrollieren – wie auch im Universitätsklinikum Jena. Im kritischen Fall – wenn die Temperatur den per GDP-Richtlinie vorgeschriebenen Temperaturkorridor verlässt – werden die verantwortlichen Personen per E-Mail, Skype-Anruf oder SMS benachrichtigt. Die Kontrolle erfolgt dabei mittels Temperaturlogger, die in den Kühlschrank gelegt werden und die permanent die aktuelle Temperatur an den Server übermitteln.
Arzneimitteltransporte werden mithilfe dieser Cloud-Technologie lückenlos temperaturgeführt bzw. temperaturüberwacht. Dabei sind die Fahrzeuge mit aktiver Temperierung bzw. über passive Temperierung durch Einsatz von Kühl-/Wärme-Elementen in den Transportbehältern ausgestattet. Im ersten Falle liefert das Transportunternehmen ein Temperaturprotokoll der Innentemperatur des jeweiligen Lieferfahrzeugs. Im zweiten Fall werden die in den Transportbehältern befindlichen Logger ausgelesen und die Temperaturhistorie abgespeichert/ausgedruckt.
Digitale Dokumentation – ab Produktion bis zum Patienten
Hinsichtlich GDP-gerechte Temperaturüberwachung sowie Manipulations-/Fälschungsschutz sichert die Max Pharma GmbH durch ihr lückenloses Digitalisierungssystem zum einen die permanente Lieferfähigkeit in allen pharmazeutischen Produktebenen, zum anderen schafft sie darüber Maßstäbe in puncto Arzneimittelfälschungssicherheit und transparenter Distribution. In dem seit Juli 2015 GDP-zertifizierten Unternehmen wurde das RFID-basiertes Digitalisierungsverfahren eingeführt, um die Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette, beginnend von der Produktion bis hin zur Abgabe beim Patienten, sicherzustellen. Diese Live-Überwachung der Kühlzelle liefert Echtzeitdaten und die komplette Temperaturhistorie.
Installierte Temperatursensorik, für die Überwachung der Lagerung von Kühlarzneimitteln in Echtzeit
Résumé
„Die GDP-Leitlinien enthalten geeignete Instrumente, die die Großhändler bei ihrer Tätigkeit unterstützen und verhindern sollen, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette gelangen. Durch die Einhaltung dieser Leitlinien wird eine Kontrolle der Vertriebskette sichergestellt und somit die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechterhalten.“ [1]
Bei Arzneimittelgroßhändlern ist daher die Temperaturüberwachung nur ein Aspekt unter vielen, den sie bei ihrer Tätigkeit erfüllen müssen und die ein etabliertes QMS notwendig macht, in dem alle Tätigkeiten eindeutig festgehalten und kontinuierlich überprüft werden. Digitalisierungslösungen zur Temperaturüberwachung im Rahmen von GDP im Bereich der Live-Überwachung (Großhandel, Apotheken und Kliniken) sowie im Bereich der Offline-Überwachung im Transport- und Logistikumfeld können hier erfolgreich eingesetzt werden und damit einen bedeutenden Beitrag zur GDP-Konformität leisten.
Die Max Pharma GmbH arbeitet als vollversorgender und vollsortierter Pharmagroßhandel. Kernkompetenz ist der Bereich der Onkologie. Durch im Haus entwickelte, innovative Technologien garantiert die Max Pharma neben ihrer Rolle als schneller und zuverlässiger Distributor, GDP-gerechte Temperaturüberwachung und Fälschungssicherheit im Arzneimittelsektor.
Referenzen
[1] GDP-Leitlinien vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 343/01)