Next Best Action: Prescriptive Maintenance

Wie Prescriptive Maintenance – als neuer Ansatz der Vorausschauenden Wartung – eine Industrie-4.0-Strategie optimiert

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Georges Faddoul, Regional Director Switzerland bei Pegasystems

 

Im Kontext einer flexiblen, adaptiven Produktion können Unternehmen mit Predictive und Prescriptive Maintenance vorausschauend agieren und ungeplante Stillstandzeiten drastisch reduzieren. Durch die Verknüpfung von Fertigungswertströmen mit selbstlernender Software lassen sich konkrete Handlungsanweisungen ableiten.

Kürzere Produktlebenszyklen und schnellere Technologiesprünge erhöhen in Fertigungsunternehmen die Anforderungen an einen effizienten Umgang mit den Produktionsmitteln. Ausfälle, Minderleistungen und Qualitätseinbußen stellen ein hohes Risiko dar. Gerade vor dem Hintergrund einer Neustrukturierung der Fertigungsprozesse im Rahmen des Konzepts Industrie 4.0, das moderne Informationstechniken und klassische industrielle Prozesse verbindet, kommen Wartung und Instandhaltung – Maintenance – eine wachsende Bedeutung zu. Sie sorgen bei der digitalen Vernetzung von Maschinen, Herstellungsverfahren, Vertriebs- und Lagersystemen für eine hohe Verfügbarkeit der Produktionsanlagen und eine Minimierung von Ausfällen.

Eine hohe Verfügbarkeit erfordert im Falle eines Ausfalls eine zeitnahe und schnelle Instandsetzung, was jedoch das Vorhalten entsprechender Ressourcen wie Fachkräfte, Ersatzteile oder Logistik voraussetzt. Um den dafür notwendigen Aufwand zu minimieren, ist es wiederum notwendig, über eine möglichst zuverlässige Vorhersage von Schadensereignissen zu verfügen, da nur so die notwendigen Mittel zur Instandhaltung bedarfsgerecht bereitstehen. Dafür braucht man eine Instandhaltungsstrategie, die mögliche Fehler oder Störungen in den Anlagen erkennt, bevor sie eintreten und die so die Planung einer optimalen Wartung ermöglicht. „Prescriptive Maintenance“ ist ein wichtiger Baustein für eine derartige Strategie.

Grundlage für Instandhaltungsstrategie: Prescriptive Maintenance

Dabei geht Prescriptive Maintenance weit über Rückrufe und Reparaturen hinaus und bringt Verbesserungen mit sich, die auch die seit Jahrzehnten durch die Konzepte Lean Manufacturing und Six Sigma erzielten Fortschritte überschreiten. Hersteller, die nach der Lean-Methode arbeiten, folgten lange Zeit der Idee einer Total Productive Maintenance (TPM), mit dem Ziel, die gesamte Anlageneffizienz zu verbessern, die nach Leistung, Verfügbarkeit und Qualität gemessen wird. Innerhalb der TPM werden Methoden wie eine schnelle Umrüstung zur Produktivitätssteigerung und zur Reduzierung von Ausfallzeiten verwendet.

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Umrüsten im laufenden Betrieb: Die Servicetechniker von MAN Diesel rüsten das Containerschiff Alexander Mærsk nachträglich mit einem Abgasrückführungssystem (Quelle: MAN)

 

In der adaptiven digitalen Fabrik sollen die Folgen eines Ausfalls von Anlagen und Maschinen durch die Digitalisierung von Prozessen und des Entscheidungsmanagements reduziert werden. Grundsätzlich sollen Ausfälle verhindert werden, bevor sie eintreten, indem abgenutzte Teile rechtzeitig ausgetauscht oder repariert werden. Im aktuellen Umfeld von Big Data und dem Internet der Dinge besteht die Chance, den Wartungsprozess vorausschauend zu modernisieren.

Lernfähige Wartung: Predictive Maintenance

Vorausschauende Analysen untersuchen Daten der Vergangenheit und versuchen, daraus Modelle abzuleiten. Ergänzend werden IoT-Daten überwacht. Anschließend werden die Wartungsprioritäten angepasst. Remote-Geräte können nachverfolgen, wo sich eine Maschine befindet, wie viel Treibstoff verbraucht wird und wie die aktuelle Nutzung aussieht. Der automatisierte Datenstrom koordiniert die vernetzten Geräte durchgängig von den Lieferanten, über die Hersteller bis zum Verbraucher. Dieser Strom verbindet das Gerät des Nutzers über automatisierte und digitalisierte Prozesse mit dem gesamten Wartungslebens-Zyklus, wobei die durchgängigen Prozesse an jedem Punkt vollständig transparent und steuerbar sind.

Aus den Betriebsdaten, die mit IoT nicht nur massenhaft anfallen, sondern die auch überall verfügbar gemacht werden können, wo es eine Internet-Verbindung gibt, können umfassende technische Informationen abgeleitet werden. Mit diesen Daten – zum Beispiel Drehzahl, Öldruck, Temperatur oder Kühlmittelstand – kann man zum einen die individuellen Systeme steuern und kontrollieren, so dass Hersteller oder Service-Dienst­leister ihre Maßnahmen optimal planen können. Zum anderen werden dabei über alle Anlagen hinweg umfangreiche Informationen über das Verhalten der Systeme gesammelt. Werden diese entsprechend aufbereitet, lassen sich daraus statistische Wahr­scheinlichkeiten für das Auftreten definierter Service-Fälle ableiten: Wenn beim System X die Drehzahl über eine Toleranz hinaus schwankt, ist mit einer Wahrscheinlichkeit von n mit einem Achsbruch innerhalb der nächsten m Tage zu rechnen. Je mehr Daten verfügbar sind, desto besser können die jeweiligen Algorithmen die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens bestimmen.

Aber nicht nur die Produktionsprozesse werden durch die Nutzung dieser Daten für die vorbeugende Wartung immer effizienter, sondern auch die Lieferketten. In einer hochgradig datengestützten Umgebung kann sich die Lieferkette zu einem „Bid-on-demand“-Modell entwickeln – zu einem Lieferkettenmarkt, der mit einem Rohstoffmarkt vergleichbar ist. Auf die Fertigung bezogen würde also die Produktion immer dann selbstständig zugeschnittene Kaufangebote unterbreiten, wenn sie einen Bedarf an einer Ressource vorhersagt, und den besten Bieter mit der kürzesten Bearbeitungszeit ermitteln. Die Kaufangebote basieren auf der Produktion, der Maschinennutzungsdauer, dem Produktlebenszyklus, der Komponentennutzungsdauer und auf Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Die gesamte Produktion arbeitet synchron und quasi automatisch.

Kombination von Analyse & Strategie

Predictive Maintenance kann vor allem da schnell eingeführt werden, wo Sensoren bereits umfangreich Daten erfassen, und eine entsprechende Kommunikationsinfrastruktur verfügbar ist; ansonsten lohnt sich aber auch das nachträgliche Aufrüsten von Monitoring-Systemen, nur dauert es dann länger, bis sich der Ertrag tatsächlich einstellt.

Moderne Lösungen führen zunächst Predictive Maintenance und Decisioning zum Prescriptive Maintenance zusammen; dieses Konzept reicht über die bloße Vorhersage von Schadensereignissen hinaus. Es werden dabei, auf Basis von Analysen, aber auch von historischen Modellen und Kontextinformationen, Entscheidungsstrategien integriert. Das System bildet Modelle unter Berücksichtigung von Geschäftsregeln, Strategien und Richtlinien, und schlägt konkrete Maßnahmen beziehungsweise Bearbeitungsschritte vor, beispielsweise wie eine Reparatur am besten durchzuführen ist.

In Umgebungen mit Hunderttausenden Produktionsmaschinen ist es häufig schwierig zu entscheiden, an welcher Maschine zuerst Hand angelegt beziehungsweise welche zuerst überprüft werden soll, wenn Prozesse außer Kontrolle geraten. Bisher beginnt ein Techniker an jeder einzelnen Maschine mit der Untersuchung. Mit maschinellem Lernen kann dieser Prozess optimiert werden. Aus dem Benutzerfeedback des Technikers können Schlüsse gezogen werden, welche Maschine zuerst überprüft werden sollte. Das Modell könnte vorhersagen, welche Maschine betroffen ist, und dazu auf Parameter, SPC-Karten und frühere Eingaben von Technikern oder Bedienern zurückgreifen. Die Techniker oder Bediener können auf das neue Wissen zugreifen und wiederum Feedback geben. Dieses würde der Algorithmus des maschinellen Lernens nutzen, um das Modell neu zu bewerten und für die Zukunft noch präzisere Vorhersagen zu ermöglichen.

Kontinuierliche Optimierung der Produktionsprozesse

In einem weiteren Schritt wird das Konzept um Adaptive Analytics erweitert. Das System wird in die Lage versetzt, selbständig zu lernen und die vorgeschlagene „Next Best Action“ basierend auf Echtzeitinformation und einem kontinuierlichen Feedbackkreislauf immer weiter zu optimieren.

Die Verknüpfung von Next-Best-Action-Prognosen (prescriptiv) und Informationen, die nicht nur aus der Produktion, sondern auch extern von den bereits produzierten und ausgelieferten Produkten stammen, bietet folgende Vorteile:

  • die Erfassung von Gerätedaten über Komponenten, die möglicherweise am Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt sind,
  • das Einpflegen externer Daten in Algorithmen mit Bezug zur Funktion von Systemkomponenten,
  • die Schaffung eines neuen Systems für externes Feedback, um möglicherweise unvorhergesehene außer Kontrolle geratene Prozesse zu ermitteln,
  • die Gestaltung eines präskriptiven Prozesses, der effizienter ist als das bloße Feedback von Technikern oder Bedienern.

Mit diesem Ansatz passt sich Prescriptive Maintenance optimal in Industrie-4.0-Strategien ein: die Wertschöpfungsketten decken nicht mehr nur linear den Zyklus von Beschaffung, Produktion und Auslieferung ab, sondern auch die überlagernden, in ganz anderen Zeitphasen getakteten Zyklen der Wartung und Erneuerung der beteiligten Produktionsanlagen. Natürlich müssen beide Zyklen wieder aufeinander abgestimmt werden, sie können ebenso Daten austauschen und sich beeinflussen.

Résumé

Prescriptive Maintenance verbessert nicht nur die Haltbarkeit und Nutzungsdauer von Anlagen, sondern optimiert über die höhere Verfügbarkeit auch den gesamten Prozess. Auf diese Weise erhält Industrie 4.0 eine ganz neue Ebene.

www.pega.com/de

Pegasystems entwickelt strategische Anwendungen für Vertrieb, Marketing, Service und Operations. Die Anwendungen optimieren kritische Geschäftsprozesse und verbinden Unternehmen mit den Kunden kanalübergreifend und in Echtzeit. Zu den Kunden zählen einige der größten Unternehmen der Welt.

 

Beitragsbild: Komplexe Anlagen müssen hochverfügbar bleiben: Kurbelwelle für einen mittelschnelllaufenden Vier-Takt-Großmotor (Quelle: MAN)