Interview mit
Marcus Laube, CEO und Geschäftsführer der crossinx GmbH
Viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, stehen unter Druck, ihre Forderungen und Verbindlichkeiten genau so zu steuern, dass es nicht zu Liquiditätsengpässen kommt. Da sich die Finanzierungsangebote der Banken in den letzten Jahren stark verändert haben, entsteht die Wertschöpfung idealerweise im Unternehmen selbst. Probate Mittel dafür sind beispielsweise die Einkaufs- oder Rechnungsfinanzierung.. DIGITUS sprach mit Marcus Laube, Gründer und CEO von crossinx, darüber, welche Möglichkeiten Unternehmen zur Cashflow-Optimierung und Liquiditätssicherung nutzen können.
Besonders kleine und mittelständische Unternehmen haben immer wieder mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Welche Möglichkeiten sind in Ihren Augen besonders gut geeignet, um dem entgegen zu wirken?
Um diese Frage zu beantworten, sollte man zunächst die Ursache betrachten. Wodurch werden Liquiditätsengpässe verursacht? Warum sind kleine und mittelständische Unternehmen eher betroffen? Ein solcher Engpass ist direkt an die Kapitalsituation eines Unternehmens geknüpft, sprich, wer mehr umsetzt, hat auch in aller Regel größere Rücklagen. Solche Rücklagen können im Fall der Fälle ein Ungleichgewicht ausbalancieren und somit der rettende Anker für ein Unternehmen sein, wenn Kunden ihre Ausstände nicht oder zumindest nicht zeitnah begleichen.
Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ist es aufgrund ihrer oft geringeren Rücklagen schwieriger, solche Situationen aufzufangen. Um einen Liquiditätsengpass zu vermeiden, bieten sich in meinen Augen vor allem die Einkaufs- beziehungsweise Rechnungsfinanzierung an, aber auch Factoring kann für Firmen eine Option sein.
Wie kann man sich Factoring und Einkaufs- bzw. Rechnungsfinanzierung vorstellen?
Factoring bezeichnet den Verkauf der Forderungen eines Unternehmens gegen einen beziehungsweise mehrere Schuldner an ein Kreditinstitut oder ein Spezialinstitut, den sogenannten Factor, bevor diese ihr Fälligkeitsdatum erreichen. Dabei wird zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden: Beim echtem Factoring wird die Forderung, und damit das Risiko des Forderungsausfalls, an den Factor übergeben. Dieses Risiko bleibt beim unechten Factoring beim Lieferanten.
Bei der Einkaufs- beziehungsweise Rechnungsfinanzierung übernimmt ein Finanzdienstleister das Begleichen einer Rechnung im Namen des Schuldners. Ausstände werden noch innerhalb der gegebenen Skontofrist beglichen. Eine Rechnung wird also durch den Einkaufsfinanzierer unter optimierten Skontobedingungen sehr früh beim Unternehmen beglichen, gleichzeitig wird auf der Schuldnerseite das Zahlungsziel deutlich verlängert.
Und welche Unterschiede gibt es?
Beim Factoring gibt das Unternehmen die Verantwortlichkeit für die Rechnung komplett an den Factor ab, für den Schuldner ändert sich also nur der Zahlungsempfänger. Im direkten Vergleich ist es allerdings so, dass der Factor oft nicht sicher sein kann, ob eine Rechnung wirklich berechtigt ist.
Bei der Einkaufs- beziehungsweise Rechnungsfinanzierung ist dem nicht so. Hier wird ein Dreieck aus Unternehmen, Schuldner und Finanzierer aufgespannt, das auf berechtigten Forderungen basiert und von dem alle Parteien profitieren. Das Unternehmen erhält die ausstehende Zahlung früher, Skonti werden maximiert und das Unternehmen optimiert so seinen Cash-Flow. Der Schuldner profitiert von einem deutlich verlängerten Zahlungsziel und so optimiert auch er seine Liquidität. In beiden Fällen erhält derjenige, der die Rechnung begleicht – also der Factor oder der Finanzierer – eine Gebühr dafür, dass er das Risiko übernimmt. Diese ist von unterschiedlichsten Faktoren abhängig.
Sowohl Factoring als auch Einkaufsfinanzierung sind relativ neue Methoden der Unternehmensfinanzierung. Wie kommt es zur steigenden Bedeutung dieser Finanzierungsoptionen?
Vor nicht allzu langer Zeit waren noch Lieferanten- oder Bankkredite die gängigen Möglichkeiten zur Unternehmensfinanzierung. Seit der Finanzkrise sind Bankenkredite für viele Unternehmen allerdings durch veränderte Bedingungen unerreichbar geworden und Lieferantenkredite sind durch höhere Skonti-Sätze ebenfalls teurer geworden. Aus diesem Grund gibt es am Markt eine enorme Nachfrage nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten.
Die zunehmende Digitalisierung schafft darüber hinaus weitere neue Möglichkeiten für innovative Finanzprodukte. Das Potenzial ist hier längst noch nicht vollständig ausgeschöpft worden. Neue Wege im Finanzmarkt zu beschreiten, muss also nicht bedeuten, das Rad jedes Mal komplett neu zu erfinden. Es geht vielmehr darum, bestehende Prozesse und Angebote für den Anwender zu simplifizieren oder weiterzuentwickeln. Eine neue Form der Finanzdienstleistungen kann auch daraus entstehen, verschiedene Modelle oder Verfahren, die es bereits gibt, neu zu kombinieren.
Wie könnte eine solche Weiterentwicklung aussehen?
Gerade die Einkaufsfinanzierung bietet großes Potenzial für Unternehmen zur Cash-Flow-Optimierung. Diese Option kann man um ein Auktionsverfahren ergänzen und so ein ganz neues Modell schaffen, nämlich die auktionsbasierte Rechnungsfinanzierung. Dabei initiiert der Rechnungsempfänger eine Auktion in seinem Lieferanten-Netzwerk. Die Grundvoraussetzung für eine solche „Versteigerung“ bilden inhaltlich freigegebene Rechnungen.
Zu Beginn der Auktion legt der Rechnungsempfänger einen konkreten Betrag an Kapital fest, den er zur Begleichung seiner Ausstände einsetzen möchte. Im Anschluss daran werden die relevanten Rechnungssteller zur Auktion eingeladen. Anders als zum Beispiel bei eBay können in diesem Fall mehrere Bieter den Zuschlag erhalten – eben innerhalb des finanziellen Rahmens, den der Auktionsinitiator zu Beginn an Kapital freigegeben hat. Während die Auktion läuft – den Zeitraum hat der Rechnungsempfänger zu Beginn festgelegt – geben die Teilnehmer verdeckt ihre Gebote ab. Diese Gebote räumen dem Rechnungsempfänger einen bestimmten zusätzlichen Rabatt ein. Er erhält diese Vergünstigung, weil er seine Verbindlichkeit deutlich vor Ablauf des ursprünglich vereinbarten Zahlungsziels begleichen möchte. Bei Auktionsende berechnet ein Algorithmus auf Basis der Gebote, also den eingeräumten Skonti, und den Rechnungsdaten den beziehungsweise die Gewinner. Faktoren, die bei der Berechnung eine Rolle spielen, sind zum Beispiel die Höhe des Rechnungsbetrags, der Skontosatz und das mögliche Einsparpotenzial.
Umgedreht kann auch der Rechnungssteller eine Auktion starten. In diesem Fall legt er zu Auktionsbeginn fest, wie hoch sein Kapitalbedarf ist und räumt seinen Kunden Skonti für die frühere Zahlung ihrer Rechnungen ein. Die Auktion gewinnt nun, wer den geringsten Rabatt einfordert.
Welche Voraussetzungen gibt es für diese Methode? Kann jedes Unternehmen beziehungsweise jeder Lieferant eine solche Auktion starten?
Theoretisch ja. Eine auktionsbasierte Finanzierung ist denkbar einfach und holt für alle Beteiligten das Maximum heraus. Wie bereits erwähnt, basieren die Auktionen auf inhaltlich freigegebenen Rechnungen. Allerdings können nur Unternehmen und Lieferanten eine Auktion starten oder bei aktiven Auktionen Gebote einreichen, wenn sie E-Invoicing nutzen und Teil des Netzwerkes bei einem Anbieter sind. Damit alle Daten überprüfbar sind und die Auktionen fehlerfrei ablaufen können, müssen zudem alle Daten elektronisch vorliegen – eine eingescannte Rechnung wäre für diese Methode nicht zulässig. Nur wer digitale Rechnungen innerhalb des Netzwerks versendet, kann also eine Auktion starten oder mitbieten. So soll eine Überprüfbarkeit der Vorgänge gewährleistet und sichergestellt werden, dass nur freigegebene Rechnungen früher bezahlt werden.
Welche Vorteile hat diese Methode?
Durch die Finanzierung von Rechnungen können Unternehmen frei verfügbare Finanzmittel vor etwaigen Strafzinsen schützen und das Einsparpotenzial durch die zusätzlich eingeräumten Skonti maximieren. Die Seite des Rechnungsstellers wiederum profitiert durch das Auktionsverfahren von einer deutlich verbesserten Liquiditätssituation. Wird die Auktion vom Rechnungssteller initiiert, kann er seinen Cash-Flow dadurch verbessern, dass er Unternehmen zusätzliche Rabatte einräumt, wenn diese ihre Ausstände früher als vereinbart begleichen.
Herr Laube, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch.
crossinx ist führender deutsche Anbieter von e-Invoicing und Finanzierungslösungen für die digitalisierte Financial Supply Chain und bietet flexible, skalierbare Lösungen für den weltweiten elektronischen Austausch von Rechnungs- und Bestelldokumenten, incl. Abwicklung dokumentenbasierter Finanz- und Geschäftsprozesse.